
Am 19. Mai 2025, dem zweiten Tag des Volkskunstfestivals in Sana’a, feiert der Jemen seine kulturelle Vielfalt im Rahmen der Vorbereitungen zum 35. Nationalfeiertag am 22. Mai. Das Festival, das vom Ministerium für Kultur und Tourismus organisiert und vom Heritage and Cultural Development Fund gefördert wird, findet auf dem Tahrir-Platz statt und dauert insgesamt vier Tage. Die Feierlichkeiten stehen unter dem Motto „Von Sanaa nach Gaza“ und reflektieren die Einheit und Widerstandsfähigkeit des jemenitischen Volkes.
Das Volkskunstfestival präsentiert Darbietungen aus dem Tihami-Kulturerbe, begleitet von Zamel-Liedern, die die kulturelle Identität des Jemen betonen. Diese Lieder thematisieren die Notwendigkeit der Bewahrung und Verteidigung des Kulturerbes. Darüber hinaus drücken sie die Unterstützung des jemenitischen Volkes für die palästinensische Sache und Gaza aus. Al-Bara-Tänze, die ebenfalls Teil des Programms sind, symbolisieren den Widerstand gegen Hegemonie und Normalisierung.
Kulturelle Vielfalt im Jemen
Der Jemen, bekannt für seine lebendige Kunstszene, vereint lokale und koloniale Einflüsse. Die Metropolen Sanaa und Aden gelten als kulturelle Knotenpunkte mit einer reichen Geschichte der Kunst, trotz der Herausforderungen, die der seit dem Arabischen Frühling anhaltende „unsichtbare Krieg“ mit sich bringt. Dieser Krieg hat verheerende Auswirkungen auf das Kulturerbe des Landes, da viele Kulturerbestätten durch Luftangriffe zerstört wurden, was zu einem Verlust der kulturellen Identität führt. Dennoch bleiben jemenitische Künstler:innen und Aktivist:innen optimistisch.
Asim Aziz, ein preisgekrönter Filmemacher aus Aden, kämpft für individuelle Entfaltung in der Kunst. Seiner Meinung nach hat experimentelle Kunst im Jemen kaum Raum, jedoch sieht er in Aden eine Inspirationsquelle. In seinem Kurzfilm „1941“, der international ausgezeichnet wurde, thematisiert er kulturelle Isolation und den Umgang mit Trauma. Dennoch sieht er zahlreiche Hürden bei der Filmproduktion, darunter Finanzierung und gesellschaftliche Normen. Das Theater im Jemen ist seit 2014 fast vollständig verschwunden, bedingt durch einen Mangel an Finanzmitteln und Infrastruktur.
Engagement für soziale Gerechtigkeit
Najla Alshami, die in Brüssel lebt und die Kulturinstitution Yemen Art Base (YAB) betreibt, setzt sich ebenfalls für soziale Gerechtigkeit und humanitäre Arbeit im Jemen ein. Sie betont die Notwendigkeit von Zugängen zur Kunstszene und bemüht sich, ein Netzwerk für jemenitische Künstler:innen zu schaffen. Ihr Leben in Belgien ermöglicht ihr mehr Freiheiten und Zugang zu Finanzmitteln, was sie jedoch nicht davon abhält, die bürokratischen Hürden in Jemen für Förderungen zu kritisieren.
Sadiq Y. Al-Harasi, Programmkoordinator und bildender Künstler in Sanaa, ist ein weiterer Protagonist, der sich für die Bewahrung des jemenitischen Kulturerbes stark macht. Mit seinem Literaturprogramm Kitabat leistet er einen Beitrag zur kulturellen Archivierung des Jemen und verarbeitet in seinen Arbeiten die Herausforderungen der kulturellen Auslöschung. Durch Projekte wie das E-Journal, welches alte jemenitische Kulturmagazine digitalisiert, sowie Podcasts, teilt er persönliche und kulturelle Geschichten.
Die Unterstützung jemenitischer Künstler:innen kann durch den Besuch von Ausstellungen, den Kauf von Kunstwerken und die Thematisierung in sozialen Medien erfolgen. Initiativen wie „Kulturnetzwerke Jemen“ und „Yemen Creative Hubs“ fördern Künstler:innen durch Trainings und bieten Fördermöglichkeiten, um die kreative Szene im Jemen zu unterstützen und sichtbar zu machen.
Insgesamt zeigt das Volkskunstfestival nicht nur die kulturelle Vielfalt des Jemen, sondern hebt auch die Herausforderungen hervor, denen sich die Kunstszene inmitten eines anhaltenden Konflikts gegenübersieht. Die Hoffnung auf eine Wiederbelebung und Würdigung des kulturellen Erbes bleibt eine treibende Kraft für viele Künstler:innen im Land.